Whistler wie es nur die Einheimischen kennen
Nordamerikas größtes Skigebiet bietet unendlich viel. Vor allem für Leute mit Insider-Wissen. Wir überwintern in Whistler und entlocken den Locals so manches Geheimnis.
„In Whistler gibt es mehr Geheimtipps als anderswo Abfahrten“, sagt Henry. Und dann schmunzelt der Stumböck-Guide neben mir auf dem 7th-Heaven-Lift so spitzbübisch wie es wohl nur echte Insider können. Die Region nördlich von Vancouver ist seine Heimat, das größte Skigebiet Nordamerikas sein zu Hause. Henry ist einer der von Skifahrern aus der ganzen Welt beneideten Locals in Whistler Blackcomb. Der Mann mit den langen Haaren und dem Kinnbärtchen im d‘Artagnon-Look kennt Kanadas Ski-Giganten wie nur wenige. Und der Mann aus Whistlers Nachbarort Squamish ist einer der ganz Wenigen, die ihr Wissen über das Olympia-Skigebiet von 2010 auch bereitwillig teilen.
Geheimtipps in Whistler-Blackcomb
„Wenn Du mit top Guides einen Tag in Whistler verbringst, denkst Du, Du bist in einem ganz anderen Skigebiet unterwegs“, erzählte mir eine Urlauberin, die zuvor schon viele Male allein in Whistler war. Und sie hat recht. Den perfekten Einstieg in Henrys Lieblings-Tiefschneeabfahrt auf dem Whistler Mountain hätte ich wohl allein nie gefunden. Dabei ist „Doom & Gloom“ sogar unterhalb der Whistler Bowl auf der Ski Map eingezeichnet. Und auch die traumhafte Abfahrt quer durch die lichten Wälder auf der Blackcomb-Seite hätte ich verpasst. „Und dabei ist unser Tree Skiing doch einfach das größte“, schwärmt Henry.
Genuss-Abfahrten und „Experts Only“-Runs
Was auf der Karte und von unten so einfach zugänglich aussieht, ist von oben betrachtet gar nicht so leicht zu finden. Und zudem sind der 2182 Meter hohe Whistler Gipfel genauso wie der nochmal gut rund 300 Meter höhere Blackcomb Peak von gefährlichen Cliffs durchsetzt. Überall warnen „Experts only“-Schilder weniger Versierte davor, sich die „Double Blacks“ hinunterzustürzen. Wer das ganze Potential der beiden Berge ausschöpfen und dabei sicher unterwegs sein will, der sollte einen Guide an seiner Seite haben.
Extremely Canadian Camps sind extrem gut in Whistler
Stumböck-Gruppen haben ihren Insider sowieso immer an ihrer Seite, wer allein in Whistler ist, sollte rund 240 Euro für einen Tageskurs bei Extremely Canadian investieren. Top-Coaches wie Darryl Bowie machen aus guten Skifahrern richtig gute Skifahrer. „Auch für Heliskier ist so ein Warm up in Whistler ideal“, bestätigt mir Beat Steiner. Der Besitzer von Bella Coola Helis Sports lebt in Whistler. Seine vier Heliski-Lodges betreibt er weiter nördlich in den Coast Mountains, wo noch mehr Schnee fällt und die Gebirgsmassive noch überwältigender sind als in Whistler. Bella Coola wurde bei den World Ski Awards fünf Mal in Folge zum besten Heliski-Anbieter der Welt gekürt.
Darryl ist der „Canadian Godfather of Freestyle-Skiing“
Darryl hat schon einige Skifahrer fit gemacht fürs Heliskiing und ihnen so ganz nebenbei noch die versteckten Zugänge zu den besten Geländeabfahrten und Waldabfahrten in Whistler gezeigt. Darryl gehört wahrlich nicht mehr zu den jungen Wilden, aber Alter spielt für den „Canadian Godfather of Freestyle-Skiing“ ohnehin keine Rolle. Vor rund 50 Jahren gehörte er mit den Garhammers aus Deutschland zu den Freestyle-Pionieren, die als „Hot Dogs“ des Skisports berühmt wurden. Er gründete den kanadischen Freestyle-Verband und führte die junge Sportart zu den Olympischen Spielen 1988 in Calgary. Der Extremely Canadian-Coach könnte mir stundenlang Stories aus seiner Ski-Vergangenheit erzählen, aber Darryl spricht lieber vom nächsten „Geheimtipp“, den er mir gleich im legendären „Saudan Couloir“ zeigen will.
„Du hörst nicht mit dem Skifahren auf, weil Du alt bist. Du wirst alt, weil Du mit dem Skifahren aufhörst“, lautet Darryls Motto. Und mit dieser Einstellung, seiner grandiosen Technik und seiner Erfahrung fährt er immer noch viele Youngster in Grund und Boden – und das obwohl Whistler der Hotspot der nordamerikanischen Freeride- und Freestyle-Szene ist.
Ski-Pros lieben Whistler-Blackcomb
Zu den größten Stars in Whistler zählt Eric „Hoji“ Hjorleifson. Er kam vor vielen Jahren – und blieb. “Auch weil Whistler das einzige Skigebiet in Nordamerika mit einem richtigen hochalpinen Gletscher-Terrain ist“, wie „Hoji“ erzählt. Der Gletscher mit seinen unzähligen Variantenabfahrten befindet sich auf Blackcomb, der Whistler Mountain gilt trotz seiner Olympia-Rennstrecken wie Dave Murray Downhill unter den Locals eher als das Familien- und Touristen-Skigebiet. Dort gibt es unzählige Cruising Runs in der Symphony- und Harmony-Bowl sowie die viele Kilometer lange, kupierte Abfahrt Peak-to-Creek vom Whistler-Gipfel hinunter zur Creekside-Basis, wo in diesem Winter neue Gondeln und ein schneller Sessellift für mehr Komfort sorgen.
„Hoji“ mag beide Berge. „Und seit sie mit der Peak2Peak-Gondel auf mittlerer Höhe verbunden sind, kann man ohnehin in nur noch zwölf Minuten von der einen zur anderen Seite pendeln“, fügt er an. Das sei perfekt an Powder-Days, für die er noch ein paar Tipps verrät: „Weil das alpine Terrain in Blackcomb an Neuschneetagen normalerweise vor dem auf dem Whistler Mountain öffnet, startet man hier und wechselt später zum Whistler Peak.“ Sind die Hochlagen wegen Lawinengefahr noch gesperrt, beginnt “Hoji“ seinen Tag in den Wäldern der Whistler-Seite, um später nach Blackcomb zu wechseln.
Sobald dort der Glacier Express läuft, stapfen alle Spankys Ladder hinauf. Nach einem kurzen Aufstieg bieten die Ruby-, Diamond-, Sapphire und Garnet-Bowl unzählige Traumabfahrten, aber auch einige alptraumhafte Absturzstellen. Wenn die Ski Patrol das Areal freigegeben hat, darf man innerhalb des Skigebiets überall off-piste abfahren. „Aber man sollte wissen wo“, sagen „Hoji“, Henry und Darryl unisono.
Après Ski auf dem Berg und im Tal
„Ein Adrenalinkick ist cool, aber am Ende kommt es nur darauf, beim Après-Bier heil im Tal zu sitzen“, sagt mir Darryl. Ihn trifft man selten in den trubeligen Après-Lokalen an der Whistler-Talstation des Whistler Village, das mehr Bars und Restaurants hat als jeder andere Skiort in Kanada. Darryl geht wie viele Locals lieber am Blackcomb-Base ins Merlin‘s, ins Fitzsimmons oder neuerdings am liebsten ins RMU gegenüber vom Fairmont Chateau, das auch eine schöne Bar hat. Im RMU stößt Whistlers Lawinen-Guru Wayne Flann mit uns an. Sein „Wayne Flann Avalanche Blog“ ist eine Pflichtlektüre für alle, die in Whistler das gesicherte Skigebiet verlassen.
In Whistler kann man sich den risikoreicheren Ausflug ins Backcountry allerdings als Urlauber eigentlich sparen. Whistler Blackcomb bietet schließlich auch innerhalb des gesicherten Skigebiets schier unendlich viele Traumabfahrten im Off-Piste-Terrain – wenn man die richtigen Lines kennt oder Leute wie Darryl, „Hoji“ oder Stumböck-Guide Henry an seiner Seite hat.